Donnerstag, 8. Dezember 2011
Kino für die Ohren
Heute will ich mich dem Thema Hörspiele widmen. So einige mögen das vielleicht belächeln, aber lest einfach weiter!

Hörspiele gibt es schon viele Jahre, erst nur in den Radios (bis zum heutigen Tage noch), später auch auf Schallplatten, bevor sie dann die MCs erreichten. Heutige Jahrgänge mögen sich fragen, was ist eine MC?! Das steht für Music Cassette, wird aber auch Compact Cassette, Audio-Kassette oder (Audio-)Tape genannt. Analoge Magnetbänder, die einst die heimischen Wohnzimmer revolutionierten. Eine Technik, platzsparender als Schallplatten, nicht so empfindlich und mit Aufnahmemöglichkeit. Doch zurück zum eigentlichen Thema.
Hörspiele, z. B. in Form von Krimis, plänkelten also bereits für Erwachsene im Radio dahin; das reichte, eine extra Vermarktung war nicht zwingend nötig. Erst Kinderhörspiele waren interessant, von den Eltern für den Nachwuchs gekauft zu werden und könnten somit erweiterte Umsätze bescheren. Für Kinder ist jedoch der Gebrauch der Schallplatte ein wenig problematisch, da sie noch nicht fähig sind, ohne Schaden eine Schallplatte auf den Plattenspieler und danach die Nadel auf erstere zu positionieren. Wenn's vielleicht beim ersten Mal klappt, ist bestimmt beim dritten ein Unglück passiert und die Platte hört sich aus heutiger Sicht ultra-nostalgisch an oder kommt durch einen Superkratzer und Megahänger erst gar nicht mehr zum Ende. Da kam die Entwicklung der Kassette nur gelegen und hat als ideales Medium auch der Hörspielbewegung einen Aufschwung verpasst. Vielleicht auch als "Gute-Nacht-Geschichte-Ersatz" vom kleinen Kassettenrecorder auf dem Nachttischregal?

Geboren im letzten Jahrtausend, war ich Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre somit alt genug, um die aufkeimende Welle der Kassetten und der Hörspiele mitzuerleben. Und ich kann sagen, dass ich Hörspiele weniger zum Einschlafen gehört habe, sondern ihnen zu jeder Tageszeit lauschen konnte. Heutzutage widme ich mich ihnen meist zu den ausklingenden Stunden, nein Minuten des Tages. Ich gehöre zur Hörspielgeneration, zu den sogenannten Kassettenkindern.

Warum diese Faszination? Nun ja...
- weil es sie gab, weil viele Geschichten echt gut vertont wurden und die Auswahl immer weiter stieg;
- weil man eine Geschichte und die Handlung schneller kennenlernen konnte, als durch Lesen des Buches (daher gibt es heutzutage schon fast zu allem eine Lesung - von Lesungen bin ich aber kein Freund, da ich wechselnde Sprecher für verschiedene Charaktere brauche und eine ordentliche Hintergrundgeräusche-Szenerie);
- weil man gegenüber eines Films doch noch mehr Phantasie spielen lassen muss, um dem Ganzen zu folgen.

Natürlich gibt es Nachteile:
- weil ein Buch ausführlicher ist, da machen wir uns mal nichts vor und Lesen wird immer mehr verlernt;
- weil die Sprecher, Töne und Musik einem missfallen können, obwohl die Geschichte eigentlich gut ist (einige Hörspiele sind so oll, wie in einem letztklassigen Z-Movie, wobei dieses Phänomen in heutiger Zeit viel vermehrter auftritt).

Woran liegt die gestiegene Faszination?
Es wurde erkannt, dass die Hörspielgeneration nicht nur in Kindertagen Interesse an diesem Thema hatte, wo sie hin und wieder von den Eltern beschenkt wurde, sondern auch noch weiterhin im Erwachsenenalter, nun also selber alt genug und willens, ordentlich Deutsch Mark (in den 90ern) und Eurone zu lassen, erst über Flohmärkte die längst in den Läden vergriffenen Geschichten nachkaufend, ergänzend, Lücken füllend, durch den Handel auf den Markt geschmissenen Neuauflagen kultiger, vergriffener Geschichten und Serien, mittlerweile auf CD erscheinend, konsumieren müssend bis hin zu zahllosen Neuheiten, Labels, Reihen, Serien ohne Ende und Storys, die weit entfernt von einem Kinder- oder Jugendhörspiel liegen. Selbst Sado-Maso-Hörspiele existieren. Wer also seine einstige Sammlung vervollständigt hat, sucht sich eine Erweiterung (ein Sammler sammelt nämlich immer, Sammlungen sind nie vollständig oder das Gebiet wird ausgeweitet - das ist einfach eine Gesetzmäßigkeit!).

Da dieses Gebiet so riesig geworden ist und meine persönlichen Interessen sich auf schaurige Themen beschränken, ist die Auswahl an Geschichten immer noch sehr zahlreich. Auch die Menge an aktuellen Serien, die ca. quartalsmäßig neue Episoden auf den Hörer loslassen, ist kaum mehr zu stämmen. Wie Pilze schießen sie aus dem Boden. Dabei sind alle möglichen Qualitäten vertreten, von unterirdisch vorlesenden Anti-Sprechern bis hin zu namhaften Synchronstimmen aus den teuersten Hollywood-Filmen. Letztere klingen dann auch wirklich professionell und sind Kino für die Ohren. Aber auch solches Hörkino mit massenhaft Sprecher-Starbesetzung scheint seinen Preis zu haben, so dass Produktionskosten Einnahmen überschreiten und die Gefahr droht, dass Serien mit offenem Ende sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden. Letztlich ist die Hörspielgemeinde immer noch eine Minderheit. Schade eigentlich (das Verschwinden und die Minderheit)!

Zum Schluss noch etwas konkreter aus meiner Sicht:
Favoriten der 80er: die Gruselserie von H. G. Francis, Larry Brent, Macabros, Dämonenkiller als Beispiele guter Tonkunst, mit der ich groß wurde, von der gewählten Musik über Geräuscheffekte bis hin zu emotionalen Sprechern. Etwas schlichter, aber trotzdem sehr unterhaltsam, waren da 107 Folgen der Geisterjäger John Sinclair Serie.
Und in heutiger Zeit: Edgar Allan Poe (Serie scheint wohl nicht mehr zu einem ordentlichen Abschluss zu kommen), Gruselkabinett, John Sinclair (neu), Dorian Hunter, Gespensterkrimi, um nur einige zu nennen, die echt gut gelungen sind, die echt Spaß machen und sich wahrlich Kino für die Ohren schimpfen können.

Also, gönnt Euch ruhig ein Stündchen Auszeit oder geht einfach früher pennen und schaltet mal mit einer Geschichte ab. Da lässt sich prima Entspannen!

Ein sehr umfangreiches Archiv mit Hörspielen ohne Ende und den dazugehörigen Infos findet Ihr hier.

Vielleicht konnte ich ein wenig Erklärung bieten oder gar Interesse wecken, dem Thema mehr Beachtung zu schenken. Ich wäre erfreut...

Dunkle Grüße \m/
Grimboldtt

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